Woyzeck ist eine Liebesgeschichte, die tragische Erzählung eines Eifersuchtsdramas. Büchner hat sich von einem wahren Geschehen inspirieren lassen: ein ehemaliger Soldat, arbeitsloser Perückenmacher und Friseur, ersticht seine Geliebte. Er hatte sie der Untreue verdächtigt, ein Verdacht, der aus simplen Gerüchten entstand und seine Eifersucht geschürt hat, bis sie ihn in den Wahnsinn trieb. Er wird zum Tode verurteilt und 1824 auf dem Marktplatz in Leipzig hingerichtet.
Jean-Pierre Baro nimmt Büchners unvollendet gebliebenes Stück zum Ausgangspunkt, um die Geschichte seines eigenen Vaters, eines senegalesischen Gastarbeiters zu erzählen, der in den 60er Jahren nach Frankreich kam. Seinen Text Je n’arrive pas à pleurer/Ich kann nicht weinen basiert auf Gesprächen mit seiner Mutter.
In filmähnlicher Montagetechnik stellt er diese Erzählung der von Büchner gegenüber.
So erklären und befragen sich die beiden Geschichten gegenseitig.
WOYZECK (Je n’arrive pas à pleurer) ist eine sehr persönliche Partitur, die mit Kraft und Feingefühl Fragen zur Entwurzelung, zu Einsamkeit und Vernachlässigung, zur Liebe und zur Verdrängung der Gefühle stellt.
“Woyzeck [Je n’arrive pas à pleurer, deutsch. Ich kann einfach nicht weinen] ist eine Erkundungsfahrt durch Büchners Stück. Bei dem Projekt geht es darum, die Büchners Arbeitertragödie mit einem anderen fiktiven Text, Je n’arrive pas à pleurer, zu verbinden, inspiriert von meinem Vater, einem Arbeiter, der aus einer der ehemaligen französischen Kolonien eingewandert war.
Ich habe meinen Vater niemals weinen sehen. Heute frage ich mich, warum er keine Tränen zu haben schien.
Mit der Gegenüberstellung der fiktiven Fragment von Büchner mit der Geschichte eines entwurzelten Proletariers wollte ich auf das Thema der kulturellen Orientierungslosigkeit eingehen, des Gefühls, heimatlos zu sein, ohne Vaterland, und auf die Unterdrückung jeglicher Emotion. Was mich interessiert, ist darüber durch Tränen zu sprechen, beziehungsweise “jenseits der Tränen”. Wie kann der Soldat Woyzeck heute als Person dargestellt werden? Wie stehen die Geschichte und die Literatur mit der persönlichen Erzählung im Dialog?”Absichtserklärung von Jean-Pierre Baro für Woyzeck [Je n’arrive pas à pleurer]