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Plakat_A1_Badboys

Festival Primeurs | Lange nacht der Autoren

in der Alten Feuerwache

Sa
22.11
18:00
Dauer: ca. 4 Stunden

18:00

Stickstoff und Düngemittel Azote et fertilisants
von Ronan Mancec

Am 21. September 2001 explodierten in einer Chemiefabrik in Toulouse um 10.18 Uhr ca. 300 Tonnen Ammoniumnitrat, die zur Herstellung von Düngemitteln eingesetzt werden. Die Explosion war noch in 80 Kilometer Entfernung von Toulouse zu hören und erreichte einen seismographischen Ausschlag von 3,4 auf der Richterskala. 31 Menschen starben, mehr als 2500 wurden verletzt. Wie in einem Sprachoratorium rekonstruiert Ronan Mancec die Vorgänge kurz nach der Explosion und verbindet seine akribische dokumentarische Recherche mit der Frage, was eine solche Katastrophe, die den Alltag einer Fabrik, einer Stadt, einer Gesellschaft mit einem Mal völlig in Frage stellte, an Reaktionen auslöst. Er beschreibt dabei ganz individuelle Schicksale genauso wie Reaktionen aus dem Umfeld der Firmenleitung sowie der Politik. Und hinter allem steht die Frage, ob man danach so weiter machen kann wie bisher…

Ronan Mancec wurde 1984 in der Bretagne geboren. Für die Caravane Compagnie aus Rennes hat er mehrfach Geschichten entwickelt, in denen er sich mit den Möglichkeiten einer Verbindung des Dokumentarischen mit dem Fiktionalen beschäftigt hat. Von den „Editions Théâtrales“ sind bisher drei seiner Stücke, zumeist Auftragsarbeiten für verschiedene Regisseure, veröffentlicht worden; darunter zuletzt „Azote et fertilisants“, das im Januar 2015 in Rennes uraufgeführt wird. Er hat verschiedene Residenzen als Schriftsteller wahrnehmen können und wird von der DRAC Bretagne gefördert. Als Magister in Theaterwissenschaften und Englisch interessiert er sich sehr für zeitgenössische englischsprachige Dramatik und hat zuletzt das Stück „Les Aliens“ der Amerikanerin Annie Baker übersetzt, das in diesem Jahr den Pulitzer-Preis erhielt.

 

***
19:30

Als ich Charles war Quand j’étais Charles
von Fabrice Melquiot

Charles ist ein glühender Verehrer von Charles Aznavour. Er lässt es sich nicht nehmen in seiner bevorzugten Karaoke-Bar die Chansons seines Idols zu interpretieren. Und dann sitzt da im Publikum ja auch noch seine geliebte Frau Maryse, mit der er seit zwanzig Jahren verheiratet ist – was für ein Ansporn! Also heißt er das Publikum willkommen, ein Lied wird gespielt… doch dann muss Charles erklären, dass Maryse ihn betrügt, dass sie Affären mit anderen Männern hat, hier, in der Provinz genauso wie in Paris, dass sie ihn verlassen will, um etwas anderes zu beginnen mit einem anderen Mann… und Charles gibt sich seiner Trauer hin, seinem Schmerz und seinem Zorn.
Fabrice Melquiot hat einen ergreifenden, poetischen und hochmusikalischen Text geschrieben über einen Mann in der Mitte des Lebens, das Ende einer Liebe, über verzweifelte Erinnerungen, das allmähliche Verstehen und über die Aussicht auf einen neuen Anfang.

Fabrice Melquiot gehört zu den bekanntesten und produktivsten zeitgenössischen Theaterautoren in Frankreich. 2003 wurde er mit dem französischen Kritikerpreis für „Der Teufel ist für alle da“ ausgezeichnet und erhielt den SACD-Nachwuchspreis für Hörspielautoren. Seine Texte sind inzwischen in zahlreiche Sprachen übersetzt und in vielen Ländern aufgeführt worden. 2008 erhielt Melquiot für sein Gesamtwerk den Theaterpreis der Académie Française. „Als ich Charles war“ wurde 2014 beim Festival von Avignon uraufgeführt; die deutsche Übersetzung ist eine Auftragsarbeit für den Saarländischen Rundfunk, der das Stück noch in diesem Jahr als Hörspiel produzieren wird.

 

***
21:00

Open house Appels entrants illimités
von David Paquet

Eine WG, drei Mitbewohner: Louis, der weint, sobald er die Zeitung aufschlägt, weil ihn Nachrichten aus aller Welt unendlich traurig machen. Anna, die ihre Stimmungen vorzugsweise im Tragen diverser Tierkostüme ausdrückt und Charlotte, die manisch der wahren Liebe nacheifert. Diese kleine Gruppierung verhaltensauffälliger Menschen schottet sich offensichtlich von der Außenwelt ab. Aus dem Telefon, dem Kühlschrank oder aus dem Off ertönt hin und wieder eine Stimme, die für negativen Reflektionsstoff sorgt: Ist es vielleicht das schlechte Gewissen? Ein Aufruf zur Konfrontation mit dem Außen? Eine Aufforderung zur Auseinandersetzung?
Paquet schreibt drei ängstliche, schräge Figuren, die unaufhaltsam um sich selbst kreisen und dabei doch darauf angewiesen sind, den Anderen wahrzunehmen. Eine tragikomische Metapher für die Generation der Unverbindlichkeit, die letztendlich auch nur geliebt werden will: „Milliarden Menschen, hört meinen Schrei – ist hier noch ein Sitzplatz frei?“
David Paquet wurde 1978 in Québec geboren und lebt in Montreal, wo er auch Szenisches Schreiben, Literatur- und Filmwissenschaft an der „École nationale de théâtre du Canada“ studierte. Mit seinen Stücken „Stachelschweine“ und „2 Uhr 14“ war er bereits 2008 und 2011 auf dem Primeurs-Festival vertreten. Im September 2013 kam es am Theater der Jungen Welt in Leipzig zur deutschsprachigen Erstaufführung des Stückes „2 Uhr 14“, für das Paquet vor kurzem den Prix Sony Labou Tansi erhielt.

 

Anschließend: Verleihung des Primeurs-Autorenpreises und Abschlusspartu mit DJ Henk the Tank